Wilckens musikalische Sozialisation beginnt mit einer „seltsamen Dame,“ die als Blockflötenlehrerin seine drei älteren Brüder unterrichtet und auch Christoph als viertem Musikmusketier der Familie die Flötentöne beibringt. Die Mutter würde ihren Nachwuchs gerne als häusliches Kammermusik-Quartett sehen und hören, aber dazu kommt es nicht, obwohl die Mutter nach der Scheidung der Eltern ihr Haushaltgeld darauf verwendet, dass jeder der Söhne ein Instrument lernt. Der Zufall (oder Schicksal) führt ihn zu seiner „großen Liebe“, der Kirchenorgel. Der Pfarrer des Ortes sucht eine Orgelvertretung und die Wahl fällt auf den erst 12-jährigen Christoph. „Der Kleine mit den guten Ohren“ – im späteren Studium stellt sich heraus, dass Wilcken über das absolute Gehör verfügt – erhält nun Orgelunterricht in der 20 km entfernten Kreisstadt Lörrach. In Heidelberg öffnet Wilcken eine Hintertür zu seinem sehnlichsten Wunsch und beginnt neben der Theologie heimlich ein Kirchenmusik-Studium, das 1973 mit einem Wechsel nach Berlin verbunden ist. Hier erfolgt während eines intensiven Praxisstudiums im Elfenbeinturm der „Burg“ die Entwicklung und der Feinschliff bis zum „Ritterschlag“ des akademischen Abschlusses. Das Rüstzeug in dem zur Universität der Künste gehörenden Kirchenmusik-Institut am Ernst-Reuter-Platz: Keine U-Musik, keine Didaktik, keine Diskussion, dafür 12-Stundentage mit täglichem Üben zwischen 3-6 Stunden. Für die Prüfungen schafft sich Wilcken mehr und mehr Freiräume im Theologiestudium, das er schließlich mangels Zeit und mit der Einsicht, kein Geisteswissenschaftler zu werden, nach dem achten Semester abbricht.
Wilcken sucht 1985 eine nicht „Ton angebende“ Arbeitsstelle und wird dabei von der Kirchengemeinde „um-die-Ecke“ für ihre Jugendarbeit gefunden. Mit seiner Initiative zum Umbau der alten Kohlehallen unter der Kirche zum Bandkeller kreuz.weise e.V. gibt Wilcken dann doch schnell den Ton an, auch für eine lebendige Jugendarbeit mit Zeltlagern in Schweden und Bayern. Im Konfirmanden-Unterricht weckt er verstärkt das musikalische Interesse von Jugendlichen. Es kommt ihm dabei zugute, dass er kurz nach dem Studium dann doch über den Schallplattenrand des E zum U hinübergeschielt hat. Wilcken erlernt das Gitarrenspiel im Eigenstudium und entdeckt dazu noch den Swing und andere Grooves.
Die der Akademie Remscheid erworbene Lehrbefähigung für Rock/Pop an Musikschulen wird zum passenden (Noten-)Schlüssel, um die Herzen junger Menschen zu öffnen und für Projekte wie Rockmessen, und -theater etc. zu begeistern. Sogar das Krippenspiel mit jungen Erwachsenen belebt der von Musik beseelte Wilcken mit E-Bass, Rhodes-Piano und Drumset. Zu seinen Favoriten der Populärmusik zählen Bob Marley und Jethro Tull, doch die Lieblinge des ernsthaften Menschen bleiben die Klassiker, insbesondere Händel, Bach, Boismortier, Brahms, Beethoven.
Dass Musik eine heilende Wirkung für Körper und Seele hat, erfährt Wilcken durch einen befreundeten Neurologen, der ihn um seine Mitwirkung bei der Forschung bittet. Dabei entsteht 1994 der Kontakt zum alternativen Ausbildungszweig „Altorientalische Musiktherapie.“ Wilcken erlernt Pferdehaar-Geigen, türkische Ud (Laute) und Ney (Flöte) sowie die Improvisation in vielen ‚Makamen‘ (Tonartenlehre) mit ihren ungleichen, nicht ‚vierteltönigen‘ Tonschritten. Mit diesem Handwerkszeug arbeitet Wilcken zwischen 1997 bis 2009 zunächst mit Schädel-Hirn-Trauma-Patienten, dann mehr und mehr mit Menschen, die „s Schlägle ʼtroffe hätt“, wie man in seiner alten Heimat – aus Wilckens Sicht allzu verniedlichend – zu sagen pflegte.
Sowohl als „musikalischer Seelsorger“ als auch als Kantor und Leiter verschiedener Chöre der Gemeinde der Evangelischen Paulusgemeinde Berlin-Tempelhof, wird Christoph Wilcken für seine musikalische wie menschliche Zugewandtheit geschätzt. Die klassische Kirchenmusik im Rahmen der Gottesdienste bringt er Jungen wie Alten mit viel Liebe, Feingefühl und geduldiger Unterstützung nahe. Ferner pflegt Wilcken als Organisator und Mitwirkender die musikalische Kultivierung in Tempelhof und Umgebung, u.a. mit verschiedenen Konzertreihen. Besonderer Beliebtheit erfreut sich hier „Orgel plus“, eine Reihe aufregender Tête-à-Têtes der Kirchenorgel sowohl mit klassischen Soloinstrumenten wie Klarinette, Saxophon, Klavier, Flügel als auch mit Exoten wie Alphorn, Marimba, Vibraphon. Nicht selten unter Beteiligung bekannter, profilierter Musiker der Berliner Jazzszene. Darüber hinaus organisiert Wilcken Orgelreisen, zum Beispiel zu den berühmten Barockorgeln nach Thüringen oder zur renommierten Berliner Orgelwerkstatt Karl Schuke und erteilt Orgelunterricht. Besonders am Herzen liegt ihm die musikalische Früherziehung, bei der er Kindern im Alter von 5 bis 7 Jahren viel Zeit und Aufmerksamkeit widmet und ihnen mit Blockflöte, Glockenspiel, Trommel und großem Einfühlungsvermögen spielerisch Grundlagen und Zusammenhänge von Klang, Musik, Rhythmus und Notensystem vermittelt.
Und schließlich blickt er auch gerne über die Orgelempore hinaus, scheut sich nicht vor Begegnungen mit anderen künstlerischen Disziplinen und erweitert den Kirchenraum zum Ausstellungsraum für Galerieausstellungen wie UNPLUGGED, an der er mit der Freude am kulturellen Austausch voll Empathie teilnimmt.